Eine Reise durch Regionen zwischen Abbruch und Aufbruch.
Eine Sein im Schein Filmproduktion (Daniel Kunle & Holger Lauinger, D, 2007, 74 Min) TV-Ausstrahlungen: RBB 11.10.07, Phoenix 16.11.07
Ein Bürgermeister ruft nach Kolonisten. Zwei Studenten bauen ihre berufliche Existenz mit Schnecken auf. Ein Planer löscht seine Stadt aus. Ein Heimkehrer züchtet Bisons im Tagebau. Ein Arbeitsloser mobilisiert „Überflüssige“. Ein Rechtsanwalt experimentiert mit Geld. Ein Sozialwissenschaftler spricht von ländlichen Ghettos, Jugendliche über ihre Zukunft in einer sterbenden Stadt. Ein Pionier will im toten Kraftwerk eine lebendige Brauerei. Eine Frau schließt das letzte Kino der Stadt. Ein Bauer kämpft für ein energetisch autarkes Dorf. Eine Kommune zieht in eine ehemalige Puppen-Fabrik. Kulturschaffende wehren sich gegen Nazis. Ein Politiker sieht in regenerativen Energien die Zukunftschance. Neue Siedler besetzen ländlichen Raum. Sie alle leben in…
Neuland
Werden wir verschiedene Gesellschaften in unterschiedlichen Räumen haben? Im September 2004 sorgte die Infragestellung der „Notwendigkeit gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Regionen Deutschlands“ durch den Bundespräsidenten Horst Köhler für einen kurzen Aufruhr in den Medien des Landes. Nachhaltig aber sind die Probleme, mit denen sich heute zahlreiche Regionen konfrontiert sehen. De- oder Hyperindustrialisierung sind verantwortlich für eine hohe flächendeckende Arbeitslosigkeit. Die Kommunen sind aussichtslos verschuldet. Zunehmend können Infrastrukturleistungen nicht mehr aufrecht erhalten werden. Den disparaten Regionen laufen die Menschen davon. Wenn aber „Gleichwertigkeit“ nicht mehr garantiert wird, könnte dann aus dem „Schattenreich der Globalisierung“ nicht auch ein „Neuland“ für Experimente, Lebens- und Arbeitsweisen jenseits bzw. parallel der aktuellen Vergesellschaftung entstehen?
Neuland ist ein Reisebericht durch die ostdeutsche Transformationslandschaft. Die Verdichtung von Realitätsfragmenten unterschiedlicher Akteure, von Pionieren und ihren Projekten regt an, Neuland zu denken.
Mit: Rainer Land (Netzwerk Ostdeutschlandforschung), Horst Wilke (Bürgermeister Neulietzegöricke), Stefan Paulisch (FH Reichenbach), G. Hartmann (Ladeninhaber Harz4, Weißenfels), Michael Maurer (Die „Überflüssigen“, Jüterbog), Andreas Willisch (Thünen-Institut, Bollewick), Stefan Helfer & Freunde (Bitterfeld), Karin Fahnert (Filmfabrik Wolfen), Melanie Haller & Stephan Meister (Netzwerk Demokratische Kultur, Wurzen), Hajo Schubert (Kraftwerk Plessa), Danny Hübner & Daniel Weller (Vogtland Schneckenzucht), Falk Selka (Buffalo Ranch, Neukieritzsch), Frank Jansky (Der „Urstromtaler“, Güsen), Andreas Tornow (Biomassehof Müritz, Varchentin), Hermann Scheer (MdB, Berlin), Eva Stützel (Ökodorf Siebenlinden), Dodo Ender & Lothar Mentz (Kommune Waltershausen) und Musik vom Kammerflimmer Kollektief
Märkische Allgemeine – Jan Sternberg
Transformieren, diskutieren! Holger Lauinger war unaufgeregt, als er Anfang des Jahres seinen ohne jede Förderung gedrehten Dokfilm „Neuland“ vorstellte. Ohne Verleih, ohne Kinostart, ohne Sendetermin: „Filme wie unserer suchen sich ihr Publikum“, war sich Lauinger sicher. Ein Dreivierteljahr später ist er zu Filmvorführungen und Diskussionen fast überall im Land gewesen, eingeladen von Kulturinitiativen und Politikern von Linkspartei bis CDU. Kommende Woche zeigen Lauinger und sein Ko-Regisseur Daniel Kunle den Film gar in New York, und sie haben einen, wenn auch späten, Sendetermin im RBB gefunden.
Warum dieser Erfolg? Neuland ist der richtige Film zur richtigen Zeit. Der Film leistet eine Bestandsaufnahme Ostdeutschlands zwischen Abbruch und Aufbruch, stellt die Frage, was in Gegenden geschehen soll, die von der globalen Wirtschaftsordnung abgekoppelt wurden…
Berliner Zeitung – Ralf Schwenk
„Neuland“, der in der Reihe „Der neue Osten im neuen deutschen Film“ läuft, lässt Lethargie und Missmut weit hinter sich und belegt, dass die deutsche Bürokratie nicht alles blockieren kann. Hin und wieder lädt der Bundeskulturminister die Abgeordneten des Parlaments zu einem Kinobesuch ein. Bisher galten solche Exkursionen meist bequem zu goutierenden Filmen wie „Good bye, Lenin!“ und „Das Leben der Anderen“. In „Neuland“ werden unbequemere Fragen gestellt, unorthodoxe Wege in eine offene Zukunft präsentiert. Es darf gestritten werden. Herr (Kulturstaatsminister) Neumann, übernehmen Sie!
epd medien – Ulrike Steglich
Es ist eine hochspannende Entdeckungsreise, eine verblüffende Durchmessung des Raums, eine Achterbahnfahrt, auf die man sich mit den beiden Dokumentarfilmern begibt. Sie konstatieren nüchtern die Lage, ohne je larmoyant zu werden. Sie stellen Helden des Alltags vor, die erfinderisch gesellschaftliches wie räumliches Neuland erobern – Scheitern nicht ausgeschlossen. (…) „Neuland“ gewinnt Zuschauer mit unsentimentaler Empathie, Sinn für Ironie und große Neugier. Leichtfüßig wechselt der auch formal und rhythmisch ansprechende bestechende Film vom Detail zur essentiellen Analyse. Eben sagt noch ein Protagonist: „Der Umbruch ist ein Such- und Experimentierprozess. Den muss diese Gesellschaft aushalten“, da erfährt man auch schon, wie skurril es im Konkreten aussehen kann, wenn die Neulandpioniere die eingefahrenen Gleise des bundesrepublikanische Alltags stören. (…) Komischer, treffender und deprimierender zugleich kann man den Zustand des Landes mit seinen Schluchten und Diskrepanzen kaum beschreiben.
Die Zeit – Evelyn Finger
Dass die Antastbaren tatsächlich existieren, die Entwürdigten, Überflüssigen, von sozialer Anerkennung Ausgeschlossenen, vom Fortschritt Abgehängten, durch Solidarbeiträge Gedemütigten, zeigt jetzt ein grandioser Dokumentarfilm aus dem strukturschwachen Beitrittsgebiet. (…) „Neuland“ von Daniel Kunle und Holger Lauinger gehört zum Ehrlichsten, was bisher über die Nachwendezeit gedreht wurde. (…) Er ist das Gegenprogramm zur lauthalsen Debatte über die Agenda 2010, zum Feilschen um eine mickrige Erhöhung oder halbherzige Verlängerung des Arbeitslosengeldes.